Eine einfache Frage

Na? Wie geht‘s?

Eine Bekannte schiebt Samstag Vormittag im Supermarkt ihren Einkaufswagen ganz nah neben meinen und stellt diese einfache Frage.


Na? Wie geht‘s?

Ist die Frage aus Höflichkeit gestellt?

Weil es sich so gehört das zu fragen wenn man sich trifft? Oder Interessiert es die Fragende wirklich?


Na? Wie geht‘s?

Ist hier der richtige Ort um die Frage ehrlich zu beantworten?

Ist genug Zeit dafür?

Blockieren wir bei dem Gespräch dafür den Bereich für Obst und Gemüse?


Na? Wie geht‘s?

Wirkt die Fragende gestresst?

Würde ich sie mit meiner Antwort belasten oder neidisch machen?


Na? Wie geht‘s?

Wurde mir die Frage als Einleitung gestellt, weil die Fragende eigentlich von sich selber erzählen will?


Na? Wie geht‘s?

Wird mich die Fragende meine Antwort in Ruhe vollständig erzählen lassen oder mir ins Wort fallen und mich unterbrechen weil ich zu langsam und zu ausführlich antworte?


Na? Wie geht‘s?

Ist es Angesichts der vielen schrecklichen Ereignisse auf der Welt überhaupt von Bedeutung,dass ich jetzt im November einen Regenbogen gesehen, beim Hundespaziergang im Wald ein besondersfarbiges Blatt eines Baumes gefunden oder mit den in der Wintersonne dösenden Pferden auf der  Weide einen zeitlosen, friedlichen Moment erlebt habe?


Na? Wie geht‘s?

Darf man in einer Gesellschaft in der das Thema Tod ein Tabu ist antworten, dass man vorm Einschlafen oft Angst hat,dass der geliebte Mensch mit dem man das Bett teilt im Schlaf stirbt und man ihn daher sogar im Traum bewacht?


Na? Wie geht‘s?

Kann man jemanden der gerade eine Scheidung hinter sich hat erzählen, dass man heute Mittag von einem gehörten Musikstück so ergriffen war, dass man noch immer das Gefühl hat frisch verliebt davon zu sein und mit der Knoblauchpresse in der Hand unbedingt  in der Küche dazu tanzen musste?


Na? Wie geht‘s?

Ich habe ziemlich genau 1 Sekunde Zeit um zu antworten.

Um die für die fragende Person, für den jetzigen Moment, für diese Supermarkt Situation alle Möglichkeiten einer möglichst angebrachten und angepassten Antwort abzuwägen.


1 Sekunde Zeit

Um schlussendlich – so wie immer seit ich mich erinnern und einigermaßen sprechen kann – zu antworten:

Danke! Gut! Und wie geht es DIR?


Aufatmen können.


Mich wieder entspannen können.

Weil ich ab jetzt nichts mehr Falsch machen kann und einfach nur zuzuhören brauche.

Nicken, Lächeln, die Mimik des Gegenübers spiegeln, still stehen bleiben.

Das passt immer.


Bei traurigen Erzählungen

„Das tut mir leid für dich!“ sagen

Bei schönen Erzählungen

„Das freut mich für dich!“ sagen

Und diese beiden Sätze nur niemals miteinander verwechseln!


Im meinem Gedächtniskarteikasten

nebenbei innerlich die Namen und Lebensgeschichten aller Familienmitglieder und Haustiere der Person der ich zuhöre abrufen und auch nachfragen, wie es denen allen geht.


Beim Auseinandergehen und Verabschieden gesagt bekommen:

„Was du dir alles merkst! Mit dir ist es immer sooo angenehm zu reden! Wir müssen uns unbedingt bald einmal etwas länger unterhalten!“


Na? Wie geht‘s?

1 Sekunde Zeit.

Vielleicht das nächste Mal.

Ich bin müde.